Herkunft
Europäische Wurzeln
Ansgar mit Dulcimer, 1984
Scheitholt, Abbildung
aus "Syntagma musicum"
Die genauen Ursprünge des Dulcimers bzw. seiner europäischen Vorfahren liegen noch im Dunkeln. In den früheren Ausgaben meiner
Dulcimerseite konnte man an dieser Stelle nachlesen, dass der Dulcimer im Mittelalter aus dem arabischen Kulturraum nach Europa gelangte. Diese
These, die vor allem auf den Musikethnologen Curt Sachs (1881 – 1959) zurückgeht, wurde inzwischen durch neuere Forschungen widerlegt und
als falsch zurückgewiesen.
Man geht heute davon aus, dass sich die ersten Zithern, und damit auch der Dulcimer, im mittelalterlichen Europa aus dem Monochord entwickelt
haben. Wann und wo genau dies geschehen ist, bleibt aber weiterhin unbekannt. Zwar berichten frühe mittelalterliche Texte von Instrumenten
namens „dulce melos“ und „Doulcemer“, die in Klöstern u.a. beim Gesangunterricht Verwendung fanden. Ob mit diesen Instrumenten aber unser
Griffbrett-Dulcimer oder das griffbrettlose Hackbrett gemeint ist, geht aus diesen alten Quellen leider nicht eindeutig hervor.
Eine der ältesten bislang bekannten gesicherten Quellen für die Existenz eines Scheitholts (deutsche Variante des Dulcimers) ist eine
Abbildung mit einem kurzen Text im zweiten Band des „Syntagma musicum“ von Michael Praetorius (1571 - 1621). Das „Syntagma musicum“
ist ein umfassendes musikwissenschaftliches Werk, das u.a. eine Klassifizierung der damals bekannten und gebräuchlichen Musikinstrumente enthält.
Interessant ist die Bemerkung von Praetorius, dass man das Scheitholt eigentlich zu den „LumpenInstrumenta“ zählen müsste. Diese Bemerkung zeigt, dass
das Scheitholt in seiner gesellschaftlichen Bedeutung zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Stufe eines Bettler-, Bauern- und Vaganteninstruments
gesunken war.
Als Instrument der traditionellen Musik Europas konnte der Dulcimer in verschiedenen Formen (siehe: Varianten) bis weit ins 19. Jahrhundert hinein
bestehen, aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet er in Europa immer mehr in Vergessenheit.
Appalachen Dulcimer,
gebaut von Helmut J. Seibert
Dulcimer "Epinette"
gebaut von Helmut J. Seibert
Der Dulcimer geht nach Amerika...
Mit Auswanderern gelangten die europäischen Griffbrettzithern nach Amerika. In diesem Zusammenhang wird besonders das deutsche Scheitholt
bzw. Scheitholz genannt, das mindestens seit dem frühen 18. Jahrhundert in Pennsylvania, Virginia und Tennessee nachgewiesen werden kann.
Das deutsche Scheitholt war für die englisch-irischstämmigen Siedler ein fremdes Instrument. Sie benannten es mit dem ihnen bekannten
Wort "Dulcimer" und bauten es bald in verschiedenen eigenen Formen und Varianten. Dies war die Geburt des Mountain Dulcimer.
In einigen Gebieten, besonders in den Appalachen, einem mächtigen Gebirgszug im Osten der USA, fand der Dulcimer weite Verbreitung.
Während die europäischen Varianten des Dulcimers bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts nahezu ausgestorben waren, gab es in
den amerikanischen Appalachen noch immer die Reste einer lebendigen traditionellen Musikkultur, in welcher der Dulcimer eine wichtige Rolle spielte.
Ende der fünfziger Jahre entwickelte sich in den USA, anfangs als eine Art konservative Gegenströmung zum gerade aufkommenden
Rock'n Roll, die Folkrevival-Bewegung. Im Rahmen dieser Bewegung gab es Musikerinnen und Musiker, die den Dulcimer einer breiteren Öffentlichkeit
bekannt machten. Musiker der unterschiedlichsten Stilrichtungen begannen, sich für den Dulcimer zu interessieren. Der Dulcimer wurde zu einem
populären (Volks-)Musikinstrument in den Vereinigten Staaten.
...und kehrt nach Europa zurück
Als die Folkrevival-Bewegung mit einiger zeitlicher Verzögerung Europa erreichte, erinnerte man sich auch hier der alten "Vorfahren" und "Urahnen" des Dulcimers. Eine Zeitlang, besonders in den siebziger und achtziger Jahren, wurden der Dulcimer und seine Vorfahren vorübergehend aus ihrem langen Dornröschenschlaf aufgeweckt. Mit dem Abflauen der Folkmusikwelle verschwand aber auch wieder das allgemeine Interesse für den Dulcimer.
Ausblick
In den letzten zehn Jahren hat das Interesse für den Dulcimer erfreulicherweise wieder deutlich zugenommen. Ursache ist möglicherweise das steigende Interesse an Ethno-, Welt-, Root- und Mittelaltermusik. Neben den traditionellen Formen des Dulcimers werden viele neue Varianten gebaut und gespielt. Auf die weitere Entwicklung darf man gespannt sein!